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Ökumenische Klinikseelsorge Kaufbeuren

Blickwechsel - „Von Gott aus gesehen“

Impuls zum Monat Juni - Blickwechsel 

„Von Gott aus gesehen“ – so nennt der Leipziger Ordensmann Andreas Knapp eines seiner Gedichte, das mich seit Jahren begleitet. (Hier gelangen Sie zum Gedicht)
Meine Suche, mein Fragen, meine Schwäche, der Umgang mit meinen Grenzen: ist das vielleicht die Art und Weise, wie Gott in meinem Leben vorkommt? Wie er mir liebevoll entgegen kommt? Nicht als der Vollkommene, der erhaben über allen Dingen steht, sondern seinerseits als der Suchende und Fragende? Als der, der mir gerade an meinen Grenzen begegnet – unaufdringlich, behutsam und zuvorkommend?

Dass Gott freundlich und zutiefst wertschätzend auf unser Leben blickt, findet in vielen Bibelworten Resonanz. Dass erfährt schon Abraham, den nicht nur Christen als „Urvater“ des Glaubens ansehen (nebenbei: für mich und viele andere sind auch „Urmütter“ stützend wichtig geworden). Abraham lässt sich von Gott rufen und auf einen Weg schicken. Auf seinen Weg. Er traut Gottes Verheißung, wie maßlos und unverständlich sie ihm zunächst auch scheinen mag. Der große Gelehrte Martin Buber übersetzt das göttliche Segenswort an Abraham so: „Geh einher vor meinem Angesicht. Sei ganz!“ Als ich selbst vor vielen Jahren am Beginn meiner Berufstätigkeit mit meiner Unsicherheit, mit Selbstzweifeln und mangelnder Erfahrung zu kämpfen hatte, war mir diese Zusage ein fester Trost. Ich konnte mich in diesen Segen, der schon Abraham getragen hat, mitten hineinstellen, mittragen und stärken lassen. Er hat mir eine Vollständigkeit geschenkt, die ich mir zu diesem Zeitpunkt selbst nicht zusprechen konnte, so bruchstückhaft und zerrissen kam ich mir vor…

Vielleicht ist Pfingsten ja das Fest, das uns an diesen Blickwechsel erinnern will. Mit dem Heiligen Geist findet Gott für jeden Menschen ein Gespür für das, was jetzt heilsam ist – ganz individuell und so verschieden, wie wir Menschen (gottlob) sind. Und Gott wirkt, nicht nur damals und an definierten Orten, sondern heute. Oft sicher ganz unscheinbar und verborgen. Tröstlich zu wissen, dass Gott in mir eine kostbare Ganzheit sieht und nicht die Brüche für seinen Blick bestimmend sind. Ob ich mich dann und wann mit seinen Augen liebevoll anschauen kann?
Matthias Mader