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Ökumenische Klinikseelsorge Kaufbeuren

Unser tägliches Brot gib uns heute...

Jeden Tag satt werden - was für ein Luxus hier in unseren Breiten. Hunger, so unsere Erfahrung, gibt es heute nur in anderen Weltregionen, die durch Klimakrisen oder kriegerische Gewalt heimgesucht werden. Vor 80 Jahren sah das anders aus: Psychiatriepatienten, die als nicht therapierbar galten, die nicht durch Arbeit zu ihrem Lebensunterhalt beitragen konnten, wurden als unnütze Esser abgetan. Der damalige ärztliche Direktor des BKH Kaufbeuren, Valentin Faltlhauser, spielt in diesem Szenario eine unrühmliche, ja verbrecherische Rolle: er erfand für diese Patienten die sogenannte Hungerkost, auch E-Kost, also Entzugskost genannt - eine nährstoffarme Kost, die systematisch zum Verhungern führte. Sie wurde bald bayernweit, schließlich auch reichsweit eingeführt und führte zu tausendfachem Sterben.

Am 2. Juli, dem jährlichen Gedenktag für die Opfer der NS-Krankenmorde in der damaligen Doppelanstalt Kaufbeuren-Irsee, wurde nun im BKH ein Kunstwerk eingeweiht, das an diese Verbrechen erinnert. Zusammen mit 13 Schülerinnen und Schülern eines gymnasialen Projektseminars hat der Künstler Andreas Knitz ein eindrucksvolles Zeichen gegen das Vergessen gesetzt. 14 originale Metallteller aus dieser düsteren Zeit wurden von den Beteiligten mit denkwürdigen Worten und Bildern graviert und an der Hauptfassade des BKH installiert. Und erinnern so an das Leiden der Betroffenen wie auch an den Irrsinn der damals Verantwortlichen, die sich aufspielten, über den Lebenswert oder -unwert von Menschen zu entscheiden.
So angenehm schlicht dieses Mahnmal auch wirkt: mir scheint es von überregionaler Bedeutung, was wohl auch in der Förderung u.a. durch die bundesweite Stiftung  "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" zum Ausdruck kommt.

Unser tägliches Brot gib uns heute. Es wäre zu kurz gesprungen, wenn wir mit dieser Vaterunser-Bitte nur für unser eigenes Wohlergehen Sorge tragen würden. Der Blick auf das Tellerkunstwerk öffnet unseren Blick für die Menschen, die vor Gott gleichsam mit an unserer Tafel sitzen, auch wenn ihnen damals das zum Leben Nötige aus ideologischer Verblendung verwehrt wurde. Wie gut, dass dieses Kunstwerk jederzeit zugänglich ist. Schauen Sie es sich gern einmal an!

Matthias Mader